April 2024 | ||
Liebe Menschen da draußen, bei allem, was man an diesem Land kritisieren kann: Für die Krise ist Deutschland ist ein guter Ort. Unser Gesundheitssystem ist halbwegs belastbar, die Regierung stellt Unterstützungspakete zur Verfügung und die meisten Menschen haben ein Zuhause, wo sie bleiben können – Zeit, um (einmal mehr) wertzuschätzen, dass wir alle sehr, sehr privilegiert leben. Und wir im ZEGG, die wir in Gemeinschaft leben, erst recht. das leere ZEGG – ein ungewöhnlicher Anblick in dieser Jahreszeit Das Corona-Phänomen ist natürlich auch im ZEGG sehr präsent. Nicht nur, dass es bei uns Menschen gibt, die sich selbst zur Risikogruppe zählen und die wir schützen wollen. Es gibt auch einen extra eingerichteten Corona-Email-Verteiler, über den intern die unterschiedlichsten Informationen rumgeschickt werden. Und bei all den Analysen, Kommentaren und Meinungen lohnt es sich, zwischen den Zeilen zu lesen und ein Bewusstsein für die Entstehung von Angst zu entwickeln: die Angst vor dem Virus, vor Ansteckung, vor Kontrollverlust. Oder Existenzangst. Oder die Angst vor einer Verschwörung, vor Fremdbestimmung und Kontrolle. Das ist vielleicht der beste Schutz: sich ganz bewusst NICHT in diese Angstfelder einzuklinken. Das Leben in Gemeinschaft hilft uns dabei – vor allem dann, wenn wir auf die Potenziale und Möglichkeiten schauen, die Corona als gesellschaftliches Phänomen hervorbringt. Was heißt Corona konkret für das ZEGG?Unser Seminarbetrieb ist seit dem 16. März bis mindestens 19. April eingestellt. Zudem haben wir beschlossen, dass keine privaten Gäste mehr an den Platz kommen sollen, ausgenommen Menschen, die für die gGmbH arbeiten. Und in Einzelfällen Familienangehörige und Partner*innen. Wir haben alle Bewohner*innen aufgefordert, verantwortungsvoll zu agieren, was eigene Besuche außerhalb und Kontakte innerhalb der Gemeinschaft angeht. Die Leitlinie ist, die Kontakte möglichst auf den eigenen Haushalt, also zum Beispiel die Wohngemeinschaft, zu beschränken. Diese Maßnahmen treffen uns schmerzlich – viele vermissen die Umarmungen, die wir ansonsten gern und oft austauschen, und den unkomplizierten Kontakt mit Menschen im ZEGG-Umfeld. Die fehlenden Seminare wiederum reißen ein Loch in unsere Kasse und wir mussten einen Großteil unserer Angestellten in Kurzarbeit schicken. Das bedeutet auch, dass es bei einigen eng wird, beispielsweise ihre Miete aus ihrem Gehalt zu bestreiten. Auch diejenigen, die als Coach, Trainer*in, Seminarleiter*in gerade mit dem Wegfall von Aufträgen zu kämpfen haben, müssen schauen, wie sie die Krise finanziell überstehen. Wir lernen, dass es auch ohne körperliche Nähe möglich ist, Gemeinschaft zu leben, sind füreinander da, hören einander zu. Und ganz nebenbei entstehen schöne Events. So schallt morgens jeden Tag für 10 Minuten klassische Musik über den Platz, wir schauen gemeinsam den gleichen Film an unterschiedlichen Orten oder singen Mantras, indem jede*r bei sich zuhause das gleiche Mantra anstimmt. Puzzles, Bücher, Filme werden untereinander verliehen und viele verschenken Dinge, die sie beim Ausmisten gefunden haben. Nicht zu vergessen auch Wander- und Radtouren durch den Fläming. Besonders viel Freude bereitete das Balkon-Singen, an dem wir uns, wie viele andere Menschen in Deutschland, am Sonntag, den 22.3. beteiligten. Etwa 30 Menschen aus der Gemeinschaft sangen und spielten „Ode an die Freude“ von ihrem jeweiligen Balkon aus – das Ergebnis seht ihr im Video. Das war auch als Kontaktaufnahme nach außen gedacht, damit all diejenigen, die uns sonst besuchen, ein bisschen was von uns mitkriegen können. Das Kontakthalten klappt ganz gut – wir kriegen sehr viel schöne digitale Post und Kommentare zu unseren Facebook-Posts und Youtube-Videos. Zum Anschauen auf Youtube, bitte das Bild klicken Unser Bildungsbetrieb ist eine der Haupteinnahmequellen des ZEGG. Noch ist unklar, wie lange wir den kompletten Ausfall verkraften können. Daher freuen wir uns auch, dass bereits Spenden eingegangen sind. Wenn auch du uns unterstützen willst, damit das ZEGG diese Krise übersteht, findest du am Ende dieses Newsletters weitere Informationen. Wie sehen wir die Krise – gesellschaftlich?Zuerst einmal sind wir glücklich über jedes gerettete Menschenleben. Und wir sehen die wirtschaftliche Not, die entsteht – bei einigen von uns, viel stärker jedoch bei unseren Freunden in Übersee: von nahezu allen befreundeten Projekten erreichen uns Spendenaufrufe (Opetic Kenia, Hope Flower School Palästina, Favela da Paz Brasilien etc.). Wir sehen, dass im Schatten des Mono-Themas Corona in Ungarn Demokratierechte ausgehebelt werden und die Gefahr für weiteren Machtmissbrauch besteht. Wir sehen aber auch die Chancen. Vor zwei Jahren hieß unser Sommercamp "Die Welt anhalten". Damals konnte sich niemand vorstellen, wie das wirklich passieren könnte. Jetzt ist es soweit: Die Menschen haben Zeit, sich wieder auf ihr Umfeld zu besinnen und mit sich und dem, was sie direkt umgibt, in Resonanz zu gehen. Zeit, um sich zu fragen: Was ist wirklich wesentlich? Wozu zwingt mich die Krise und wovon hält sie mich ab? Wie lerne ich mit der Angst umzugehen? Wer möchte ich in der Krise sein? Überwiegen bei mir (1) Angst, Ungewissheit und gefühlte Enge, oder (2) genieße ich einfach die Zeit und tue, was ich schon immer machen wollte? Oder gehe ich (3) stärker als sonst in den Dienst, unterstütze meine Nachbar*innen und spende das Geld, was ich nicht ausgebe an die, die es brauchen? Wir als ZEGG-Gemeinschaft haben keine gemeinsame Position zu Corona. Es gibt natürlich auch hier viele Hobby-Epidemiolog*innen, die ihre Einschätzungen darüber kundtun, wie gefährlich der Virus nun ist und ob die Maßnahmen angemessen sind. Trotz alledem: wir wissen es nicht wirklich. So ist das Corona-Phänomen auch eine Möglichkeit, uns mitten in überbordender Information zu erinnern, wie wenig wir letztlich wissen. Und unsere Handlungen immer wieder aus Empathie, Weite und einer guten Portion Pragmatismus zu steuern. Es ist eine Art Resilienztraining für jede*n Einzelne*n von uns. Und vielleicht lernen wir als Gesellschaft gerade, dass es möglich ist, bei einer Bedrohung präventiv zu handeln, bevor alles zu spät ist. Die Regierung ist handlungsfähig und die Menschen bereit, Einschränkungen aus Solidarität für andere in Kauf zu nehmen. Viele Menschen (und Medien) entdecken den Wert und die Kraft von Gemeinschaft für sich neu. Das macht Hoffnung. Und tatsächlich ist die Hoffnung, dass solches Handeln in Zukunft auch bei der Klimakrise angewendet werden wird, größer als noch vor einem Monat. Vielleicht werden wir in einigen Jahrzehnten rückblickend sehen: Im Frühjahr 2020 wurden Samen gelegt für einen großen ökologischen Umbau – zunächst wurden Krankenhäuser und andere notwendige Dinge für die Daseinsfürsorge entprivatisiert und überlebensnotwendige Dienstleistungen besser bezahlt. Flüge wurden so teuer, dass die Folgekosten darin enthalten waren, Wirtschaftskreisläufe wurden entglobalisiert und ökologischer. Und viele Menschen hatten in der Krise neue Entscheidungen getroffen und stiegen aus Berufen aus, die sie nicht sinnerfüllend fanden. Sie engagieren sich nun stärker für ihre Werte. Und so wurde die Gesellschaft nach und nach umgebaut und baut nun auf ökologischem und solidarischem Handeln auf, weil wir gelernt haben, dass alles mit allem verbunden ist. Möge jede*r von uns sein/ihr Puzzlestück auf dem Weg in diese Gesellschaft beitragen. Welches ist deines? Und wie geht es dir in dieser Zeit? Du kannst uns gerne unter schreiben. Wir brauchen eure UnterstützungDie Corona-Krise trifft auch uns finanziell. Der Seminarbetrieb ist erst einmal bis 20.04.2020 eingestellt und die Einnahmen fehlen. Das Beruhigende ist: Die gGmbH hat in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und ist liquide. Unsere laufenden Ausgaben haben wir auf das Notwendigste reduziert, mit unseren Mitarbeiter*innen ist Kurzarbeit vereinbart. Außerdem haben wir wirtschaftliche Soforthilfe beantragt. So kommen wir als gGmbH – in stark abgespeckter Version – hoffentlich gut über die nächsten Monate. Und es wäre uns eine große Hilfe, wenn du uns eine freie Spende zukommen lässt. In dieser Situation ist sie für uns Gold wert, weil wir sie überall einsetzen können. So können wir die Finanzierung des ZEGG für die nächsten Monate umbauen und achtsam durch die Krise steuern. Angesichts der Belastungen und Notsituationen, die das Corona-Phänomen für Menschen auf der ganzen Welt mit sich bringt – kultivieren wir Mitgefühl und Kooperation. Lasst uns immer wieder still werden und zu Ruhe und Zuversicht finden. Lasst uns klare und reife Entscheidungen treffen und das Leben feiern! Unser Spendenkonto |
||
|
||
ZEGG gGmbH – Zentrum für Experimentelle GesellschaftsGestaltung Rosa-Luxemburg-Straße 89 14806 Bad Belzig - Deutschland www.zegg.de t: 033841 595-100 m: Geschäftsführung: Kerstin Hanke Handelsreg.: HRB 1742P - Potsdam Stadt |
||
|
||